Tan - Der Goldene Spiegel

Einführung in die Ausstellung: TAN - Der Goldene Spiegel
von Stefan Laug

Shizenkan Yakusugi-Museum Yakushima, Japan, 21.03. - 06.04. 1993.

Professor Martin Radt
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

"Das verlorene Paradies"

Wahrscheinlich kennen wir alle das Gefühl, das sich einstellt, wenn es uns gelingt, einen besonderen Ort in der Natur zu entdecken, der noch weitgehend unberührt geblieben ist und der uns in seiner einfachen Natürlichkeit beglückt. Wenigstens vorübergehend fallen alle Spannungen von uns ab, wir sind am richtigen Ort, wollen nichts anderes, als einfach dazusein, da wir uns im ursprünglichen Sinn als nicht getrennter, in die Natur eingebetteter Teil eines größeren "arkadischen" Zusammenhangs begreifen.

Allerdings werden die Voraussetzungen für ein derartiges Erleben immer geringer. Erschreckt stellt man fest, daß sie in dem Maß zu schwinden scheinen, in dem unsere Sehnsucht nach einem Entdecken intakter Natur zunimmt.

Denn paradoxerweise wirkt selbst unsere Liebe zur Natur als Katalysator ihrer Zerstörung: Wird ein Naturreservat geschaffen, steigen die Besucherzahlen sprunghaft an, das Märchen vom sanften Tourismus hat sich längst selbst entlarvt. "Wir brauchen die Natur - die Natur braucht uns nicht". Dieser anschauliche Slogan des Umweltschutzes stimmt leider nur zum Teil; denn die Natur braucht nichts nötiger als eine radikale Veränderung der menschlichen Lebensweise.

So schreibt der neue amerikanische Vizepräsident Al Gore in seinem Buch "Wege zum Gleichgewicht": "Solange diese Zivilisation als Ganzes mit ihren überragenden technischen Machtmitteln den Grundsätzen eines Denkens folgt, welches die Beherrschung und Ausbeutung der Natur für kurzfristige Gewinne ermutigt, wird diese verheerende Gewalt fortfahren, die Erde zu verwüsten, gleichgültig, was jeder Einzelne von uns tut".

Er fragt aber auch: "Wer ist so kühn zu behaupten, daß irgendeine entwickelte Nation bereit ist, industrielles und wirtschaftliches Wachstum aufzugeben? Wer will verkünden, daß irgendeine reiche Nation bereit ist, Kompromisse im Komfortniveau zugunsten des Umweltgleichgewichts zu akzeptieren? Überdies muß die industrialisierte Welt begreifen, daß die dritte Welt keine andere Wahl hat, als sich wirtschaftlich zu entwickeln."

Bisher gibt es niemand, der aus dieser trostlosen Konstellation einen Ausweg wüßte.

Bezeichnenderweise enthüllt erst diese offenbar unumkehrbare Zwangslage den realistischen Kern einer Empfindung, die bisher als weltfremd belächelt wurde, die uns aber zunehmend verunsichert:

Zwar können wir uns nicht vorstellen, daß der Mensch aus Einsicht in die selbstverschuldete Entfremdung vom Schöpfungsganzen sein Bewußtsein von Grund auf verändert, daß der Erhalt der Natur also nicht nur aus Gründen der materiellen Absicherung erfolgt, sondern dem inneren Wunsch eines mit dem Sinn der Schöpfung verbundenen Daseins entspringt.

Wir spüren aber, daß die voraussichtlich letzte noch verbleibende Chance für das Überleben des Planeten unmittelbar mit diesem Wunsch und der ihn begleitenden Haltung verbunden ist. Denn uns wird immer deutlicher, daß die Kompensierung der technischen Fehlentwicklung mit technischen Mitteln die eigentliche Utopie ist.

Al Gore: "Die Vorstellung, neue Technologien böten die Lösung, ist zentraler Bestandteil der Denkungsart, die überhaupt erst in die Krise geführt hat".

"Der goldene Spiegel"

Wenn es erlaubt ist, das Bild der äußeren Erscheinung eines Menschen als Spiegel seiner inneren Wesensgestalt zu deuten, dann trifft dies in einprägsamer Weise auf Stefan Laug zu.

Da sein künstlerischer Ansatz aufs engste mit jenem inneren Weltbild verknüpft ist, möchte ich den Schlüssel zum Verständnis seines Werkes zunächst bei ihm selbst suchen. Denn das hohe Maß an ästhetischer Reinheit, das für seine Arbeiten charakteristisch ist, könnte dazu verleiten, sich der künstlerischen Konzeption allein mit den herkömmlichen Mitteln einer formanalytischen Werkbetrachtung annähern zu wollen. Dies wäre ein Trugschluß!

Erlauben Sie mir daher, mit einer Betrachtung seiner Kleidung zu beginnen:

Stefan Laugs Erscheinung wird wesentlich durch die Kleidung geprägt, die er nicht nur selbst entwirft, sondern auch selbst herstellt.

Das kaum übersehbare Auftreten des Künstlers - selbst die Schuhe sind ein eigenes Produkt - erweckt Interesse. Andererseits wird es auch in einem Umfeld, in dem man es eher nicht erwartet, erstaunlich gelassen hingenommen. Man empfindet offenbar sein augenfälliges Anderssein nicht als Selbstinszenierung, sondern als natürlichen Ausdruck der Persönlichkeit. So wirkt seine Erscheinung fremdartig und bekannt zugleich, ungewöhnlich und doch selbstverständlich.

Diese eigenartige Konstellation kann sich nicht aus einem formalen Rückgriff auf historische Vorbilder entwickelt haben. Denn eine "Kostümierung auf Zeit" müßte lächerlich wirken. Dagegen weist die Strenge der Form, ihr eher funktional asketisches Design auf eine nicht der Mode unterworfene, zeitunabhängige Haltung hin. Sie schließt eine Formverwandschaft zur Gewandung der Mönche ein, doch werden bei näherer Betrachtung die Unterschiede deutlich; handelt es sich bei deren uniformer Ausstattung um ein Zeichen ihrer Weltentsagung, ist die liebevoll ausgeführte Kleidung des Künstlers zu körperbetont, zu sinnlich-individuell, um in diese Richtung zu weisen. Sie wirkt vielmehr ebenso archaisch wie modern, zeitunabhängig wie zeitbezogen.

In diesem scheinbaren Gegensatz korrespondiert sie mit einer künstlerischen Haltung, die zugleich Lebensform ist: Es geht dem Künstler um die gelebte Besinnung auf die in Vergessenheit geratene Vorstellung einer außergeschichtlichen Zeit, in der die Ungeteiltheit menschlichen Daseins mehr war, als die Ausübung der einzelnen Funktionen.

Insofern haben auch die Kleider und der Prozess ihrer Herstellung Anteil an der Veranschaulichung jenes verlorenen und wiederzugewinnenden Ur-Zustands. Sie verweisen auf das ganzheitliche Weltempfinden des Künstlers und sind der bildhafte Ausdruck eines nicht der Vereinnahmung durch die Zeit unterliegenden Lebensgefühls.

Dieses von Verlust und Hoffnung getragene Lebensgefühl des Künstlers bildet das Zentrum seines gedanklichen und formbildenden Gestaltungsprozesses:

Aus einem Brief: "Zum einen meine ich die Rückbesinnung auf ein Begreifen der Welt und der eigenen Existenz unter mythischen Gesichtspunkten, vereint mit allen Ebenen des Kosmos, sozusagen im Herzen der Schöpfung ruhend, zum anderen die bildhaft formfindende Beschreibung dieses Bewußtseins. Dies halte ich für den Ursprung, den Urklang des Seins und damit der Kunst. Das ist ja mein ganzer Seinsantrieb, dies bildlichgeistig zu offenbaren, in einer Zeit und mit einem Menschengeschlecht, das, von sich selbst entfremdet, sich und seinen Lebensraum zu vernichten droht."

Die sich in diesen Sätzen äußernde Betroffenheit über das verlorene mythische Bewußtsein und die als Folge eingetretene Zerstörung der Lebensgrundlagen entspringt nicht einem rationalen Abwägen des entstandenen Schadens. Sie resultiert aus einem elementaren seelischen Verletztsein, einem Gefühl, das auf eine besondere Sensibilität für das Leben aller Dinge und Geschöpfe innerhalb des Naturgefüges schließen läßt. So begegnet der Künstler etwa Bäumen, dem Wind, dem Wasser, den Steinen und Bergen, Himmel und Erde als verwandten Wesen, ja als Teil seiner selbst, mit denen ein seelischer Austausch möglich ist; sein magisch-religiöses Weltempfinden scheint ihn zu Kommunikationen zu befähigen, die in animistischen Kulturen besonderen Personen vorbehalten sind, die der Vermittlung zwischen Mensch und Natur, Materie und Geist, Himmel und Erde.

Hier liegt die Schwierigkeit, die von ihm getroffenen ästhetischen Formulierungen zu deuten. Denn sie sind Abbilder eines seelischen Erlebens, Veranschaulichungen des "Über"-Bewußten, die sich ihrer Natur gemäß nur dem erschließen, dem ähnliche Erfahrungen zugänglich sind, der die Ausdehnung ins überkörperliche, Raum- und Zeitjenseitige erfährt. So sind sie Bild und Werkzeug zugleich, Meditationsobjekte für den geistigen Erkenntnisweg.

Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang erhellen:

Die auf den Boden gesiebten Zeichen haben nur eine ganz geringe Dicke, sozusagen eine "Dünne". Sie bestehen andererseits spürbar aus Materie, körnigem Sand, fließendem Mehl, sind nicht nur farbige Flächenphänomene. Diese geringe materielle Substanz genügt, um ein merkwürdiges Phänomen zu erzeugen: Trotz flächiger Anordnung scheint der Raum erfüllt, räumlich gegliedert zu sein. Hierzu schreibt der Künstler:

"Ich bilde seelischen Erlebnisraum ab, das ist übrigens auch ein Grund, wieso ich so ungern allzu plastisch werde! Weil ich das Gefühl habe, daß der flache "Spiegel", also die flachen Formen, die ich meine, unbedingt vollen Raum darüber benötigen, sie sind energetisch und geistig für mich vieldimensional, wenn auch materiell oft ganz flach. Das ist mir sehr wichtig! Sie tauchen von ihrer flachen, materiell erscheinenden Form in eine tiefenräumliche, seelisch-geistige Dimension und schaffen so, wie ich hoffe, einen Ort der Begegnung, an dem sich Seele und Materie, Himmel und Erde, Ursprung und Gegenwart berühren."

Das Spektrum der vom Künstler gewählten Materialien, die an der Entstehung des beschriebenen "Erlebnisraums" beteiligt sind, unterliegt einer bewußten Beschränkung und ist nicht beliebig erweiterbar. Mehl, Erden, Holz, Blattgold. Es geht nicht um die innovative Entwicklung von Form- und Farbbezügen im Sinne eines Fortschritts, um die vordergründige Gewinnung "ästhetischen Neulands", sondern um die rituelle Einbettung bestimmter Ausdrucksträger in einen überzeitlichen, bildhaft-geistigen Prozess, in dem sie zu Spiegeln seelischen Erlebens werden, Abbildern eines inneren Geistigen. Die Auswahl der Materialien wie der Prozess ihrer Transformation sind daher Teil eines komplexen Empfindungs- und Handlungsgefüges, untrennbarer Bestandteil eines bildhaften und geistigen Gestaltungsganzen. Dem vom Künstler in bisher allen Installationen benutzten Mehl kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung, eine Art Schlüsselfunktion zu.

Hierzu schreibt er:

"Mehl ist etwas äußerst Sinnliches, nicht nur ein wunderbares Material, um den reinen Geist darzustellen, oder die Kraft des Lichts, es ist in seiner Materialität wie Licht. Stellt es doch allein in seinem Wachstumsprozess als Getreide das Atmen des Lichtes, das Atmen des Himmels dar, ich wünschte, die Menschheit könnte diesem Vorbild folgen."

"In stillen und klaren Geometrien, unter Verwendung einfacher Materialien zur einen Seite und wertvollster zur anderen, soll das in ihnen ruhende Wissen erweckt und offenbart werden, soll der Ursprung unserer Seele wachgerufen werden, der Ursprung des Seins an sich. "Der Goldene Spiegel".

"Das Zentrum"

Die mythische Vorstellung des Urlandes, des Paradieses, des goldenen Zeitalter geht auf eine archetypische Wurzel zurück. Sie erinnert an den Ursprung der Existenz menschlichen Seins und Bewußtseins, in dem das Erleben der Einheit von Körper, Geist und Seele mit dem All-Einen, dem absoluten, zeitlosen, also ewigen Sein eine unauflösliche Konstante bildete. Sie ist keine illusionistische Schilderung einer geschichtlichen Fiktion, etwa einer bestimmten religiösen Ideologie, sondern ein dem Kollektiven Bewußtsein eingeprägter Bestandteil menschlicher Ur-Erfahrung.

Obwohl diese Erfahrung in heutiger Zeit vielfach nur noch verzerrt und verkitscht, gewissermaßen auf ihren materiellen Schatten reduziert, existiert, bestimmt sie unsere Sehnsüchte, Träume, Wünsche.

Ihre bildhaft-geistige Entsprechung findet sie in archetypischen Symbolen, Urbildern. Auch wenn diese verschiedenartige Gestalt annehmen können, weisen sie auf eine gemeinsame Bildwurzel hin: Die Symbolik des Zentrums.

Offensichtlich erfuhr der archaische Mensch die Welt als in sich geschlossenen Bezirk, als Mikrokosmos, der sich nach außen gegenüber dem Ungeformten, Chaotischen abgrenzt. Das exemplarische Bild jeder Weltschöpfung ist die Insel. Unvermittelt erhebt sie sich in der Weite des Wassers, aus dem formlosen Element, aus dem sie geboren wurde.

Auf einer verwandten aber komplementären Vorstellung beruht das Bild des "Kosmischen Berges", des Weltenbergs. Er ist der höchste Punkt der Welt, den die Sintflut nicht erreichen konnte. Dieser in der mythischen Geographie bedeutendste Bezirk meint die Weltmitte, von der die Schöpfung ihren Ausgang nahm, den Nabel der Welt, den eigentlich wahren, den heiligen Bezirk. Denn nur im Weltzentrum kommt eine direkte Verbindung zum außerräumlichen, außerzeitlichen Absoluten zustande.

Das am häufigsten verbreitete Bild des Zentrums aber ist der kosmische Baum, der Weltenbaum, der im Zentrum des Universums steht. Seine Wurzeln reichen bis in die Unterwelt, sein Wipfel berührt den Himmel. Wie eine Achse verbindet er die drei kosmischen Ebenen. Als Pfahl kann er pars pro toto Bild und Werkzeug eines Zentrumsritus werden: Der Opfernde oder Eingeweihte, der ihn besteigt, begibt sich auf eine mystische Reise, eine Himmelsfahrt. Da er sich im Zentrum befindet, kann er die diesseitige Seinsebene durchbrechen, kann er Zeit und Raum verlassen und sich in eine andere Seinsform erheben, die der absoluten Wirklichkeit, des ungeteilten Ur-Anfänglichen, des Paradieses.

Mircea Eliade: "Bei den Primitiven wie bei den Christen geht es immer um eine paradoxe Rückkehr in illud tempus, um einen "Rückwärtssprung", der die mystische Wiederherstellung des Paradieses begründet."

Nach monatelanger Erkundung des Landes stellte sich beim Künstler eine gewisse Ernüchterung ein, verbunden mit der Enttäuschung über den kulturellen Wandel und die einseitige Ausrichtung auf materielle Werte auch in Japan.

Yakushima, von dem er gehört hatte, blieb, wohl nicht nur auf Grund der geographischen Lage, sondern gewissermaßen als Hoffnung, bis zuletzt "aufgespart". Schließlich verschlug es ihn doch in jene südlichste Ecke, auf einen auf der Landkarte winzig wirkenden Flecken, die Insel Yakushima, die in ihrer geographischen Randposition den Kontakt zu Japan fast verloren zu haben scheint, sozusagen ans Ende der Welt.

Umsomehr muß er davon beeindruckt gewesen sein, hier nun eine landschaftliche Konstellation anzutreffen, die in ihrer realen Gestalt einen Typus verkörpert, der all das beinhaltet, wonach er vorher vergeblich suchte.

Aus einem Brief: "Ich weiß nicht, ob Du den Gedanken des Weltenberges im Buddhismus kennst, der sinnbildlich den Schöpfungsprozess darstellend, sich aus dem Chaos des Urwassers erhebt und von da an das Bild und die Gestalt der Schöpfung trägt? Nun ist es dieses Gefühl, als ich zum erstenmal mit der Fähre der Insel langsam näherkam, das mir diesen Gedanken wieder ins Bewußtsein brachte, umso verstärkter, als diese Insel sich aus der Weite des Meeres erhebt und fast rund ist in ihrer Erscheinung, im Inneren sich fast bis 2000 Meter auftürmt und dazu den Zedernbaum beherbergt, der von je ein Sinnbild des Schöpfergottes und des Lebensbaums darstellte. Hinzu diesen alten Herrn von 7200 Jahren, älter als die angenommene, Kulturgeschichte des Menschen. Wenn auch seine persönliche Geschichte und die der Insel eine traurige ist und nur den Fall und den Prozess der Entmythologisierung und Entheiligung unserer Geistesentwicklung offenbart, so trägt diese bildliche Gesamtheit, die die Insel als solche verkörpert, einen menschlichen Archetypus, konkret materialisiert in dieser Insel Yakushima. Das ist für mich ein zentraler Punkt dieser Ausstellung".

In der Tat ist die Häufung der auf die Symbolik des Zentrums verweisenden Bezüge unübersehbar:

Das Zusammentreffen von Berg und Insel, ihr Rundsein, die leibhaftige Verkörperung des Weltenbaums, ein ihm gewidmetes Museum, selbst die charakteristischen Umrißlinien des Inselgrundrisses und der im Museum ausgestellten Querschnitte des Zedernbaums scheinen zu korrespondieren.

Schließlich erfährt auch die der Unesco vorgeschlagene Ernennung der Insel zum 'World-Treasure' in diesem Zusammenhang eine zusätzliche Bedeutung.

So ergab sich für den Künstler fast zwangsläufig die Aufgabe, Möglichkeiten für die Realisation einer Ausstellung zu erkunden. Mit seinen Worten. "Nun wird klar, worum es mir geht: Die Insel ist nicht einfach nur eine Insel, auf der ich eben eine Ausstellung mache, es paßt eben genau daher. Und es ist mir, als hätte mich diese Insel gerufen und berufen, dies zu tun. Die Insel weckt in mir Besonderes, unumstritten."

Trotz langer Vorbereitung und der Unterstützung hilfreicher Freunde bleibt es erstaunlich, daß es ihm gelang auch die äußeren Voraussetzungen für das Ausstellungsvorhaben zu erwirken. Ist es nicht eher unwahrscheinlich, als völlig Fremder, im abgelegensten Teil Japans einen Museumsdirektor zu treffen, der mit seinem Verständnis und Entgegenkommen die Ausstellung überhaupt erst ermöglichte, eine Holzwerkstatt zu finden, in der man arbeiten darf, verbunden mit einer angemessenen Unterkunft ?

Andererseits scheint diese glückliche Fügung die innere Notwendigkeit des Handlungsprozesses noch zu unterstreichen. Hinzu kommt die besondere architektonische Gestalt des Museums. Sie ermöglicht eine Konzeption, die den räumlichen Ablauf als unmittelbaren Bestandteil der Installation nutzt. So führt die an zentraler Stelle gelegene gewandelte Treppe in die Mitte des zentralen Ausstellungsteils, des "weißen Rings", der den Zugang zum "Goldenen Spiegel" öffnet. Sie verbindet so die zwei Ausstellungsebenen.

Hierzu schreibt der Künstler: "Eine Erneuerung geht wenn allein im Herzen vor sich, sie ist still und nach innen gerichtet, und offenbart sich von Innen nach Außen, ohne Regeln und Gesetze, einfach und natürlich. Aus diesem Grunde empfinde ich die architektonische Gegebenheit des Museums äußerst begrüßenswert, da sie von der großflächigen Eingangssituation in das untere Stockwerk führt, erst in den Kreis und dann in den dunklen Raum mit dem "Goldenen Spiegel", ein "Aufsteigen nach Innen", architektonisch zwar ein Absteigen, gemeint ist jedoch ein Aufsteigen. Ich denke das wird fühlbar."

Hinzuzufügen bleibt, daß die vom Künstler übernommene Aufgabe nicht mit dem Abschluß der Ausstellung endet. Er fühlt sich verpflichtet, die von ihm geschaffene Anordnung wieder aufzulösen und die benutzten Materialien in einen übergeordneten Prozess der Natur zurückzugeben. So wird er einen Teil in die Berge tragen, den anderen dem Meer anvertrauen. Wind und Wasser als zerstörende und formbildende Elemente, führen den Prozess fort.

Ich möchte mit einem Gedicht des Künstlers schließen:

Der weiße Kreis

Wenn die Erhebung ins Raumlose
wenn der Übergang in die Freiheit
einen Klang hinterließe,
so wäre er wie ein weißer Kreis,
flüchtig, vergänglich und sanft.

Die Ausführungen zur Symbolik des Zentrums fußen im Wesentlichen auf der von Mircea Eliade in seinem Buch "Ewige Bilder und Sinnbilder" getroffenen Definition.

Tan - Der Goldene Spiegel
Tan - Der Goldene Spiegel